Schwarzes Papier

"Bei dem, was wir gewöhnlich Freunde und Freundschaft nennen, handelt es sich allenfalls um nähere Bekanntschaften, die bei gewissen Anlässen oder um irgendeines Vorteils willen geknüpft wurden und uns nur insoweit verbinden. Bei der Freundschaft hingegen, von der ich spreche, verschmelzen zwei Seelen und gehen derart ineinander auf, dass sie die Naht nicht mehr finden, die sie einte."
(Michel de Montaigne)

 Mit zwischenmenschlichen Beziehungen, egal welcher Art, ist das immer so eine Sache. Lisa Zenner meinte mal in einem ihrer Konzerte, dass es leicht sei, mit Tisch und Bett zusammen zu ziehen; das kriege man im Trennungsfall auch wieder auseinanderklamüsert. - Bei dem Teppich darunter allerdings, dessen Fäden aus Dingen wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Gemeinsamkeiten und Unterschieden, Zeit, Erlebten, usw. bestehen, sieht das schon anders aus; wie soll man Dinge aufdröseln, die zusammen geknüpft wurden und die man nicht einfach nachkaufen kann?!

Es gibt viele Gleichnisse dieser Art. Allen gemeinsam ist die Erkenntnis, dass der Mensch aus einer Beziehung wohl nie so rausgeht, wie er in sie reingegangen ist. Und gleichsam wird er dann in einer neuen Beziehung nie ein unbeschriebenes Blatt sein. Eine tabula rasa gibt es nicht; der Mensch hat seine Geschichte.

Irgendwann kann die tabula so voll geschrieben sein, dass nur noch ein schwarzes Papier übrig ist. - Und das zu beschreiben, geht wohl nur mit heller Farbe, aber geben Sie mal einen Klecks Weiß in einen schwarzen Farbtopf...

Doch findet sich dieses Weiß in einer neuen Beziehung darin wieder, eben jene schwarze Spuren, die andere hinterlassen haben, aufzunehmen - um einen neuen Faden zu spinnen, aus dem dann wiederum ein neuer Teppich geknüpft werden kann.

Davon handelt GENERATs neues Lied "Schwarzes Papier". Dieses Lied ist der Auftakt eines neuen großen GENERAT-Programms namens "exODEM", welches im Herbst 2013 Premiere haben wird, und eine Fortsetzung der "Generat"-Geschichte darstellt. Hier nun vorab schonmal der Text; die Aufnahme folgt später.


Ich nehm die Erinnerung
Ein verstaubtes Gedicht
Weggeworfen im Laufe der Zeit
Und finde darin
Ein vergessenes Gesicht
Sehe dich im Kleid der Vergangenheit
Und seh dort ein Wort
Den Vers, deine Richtung
Dein Geheimnis, und doch offenbar
Und finde darin
Ein vergessenes Licht
Und alle Schatten
Werden sonnenklar
Was immer auch kommt
Es bleibt nah bei mir
Und seist du auch noch so ein schwarzes Papier
Was immer auch kommt
Es bleibt schneeweißklar
Ich. bleib. Da.
Ich nehm deine Geschichte
Und trage sie fort
Trag den Schuhkarton stets nah bei mir
Und wer immer dich vergisst
Den jage jetzt fort
Das, was bleibt, bleibt bei mir
Ich nehm diese Bilder
Den Kopf und das Herz
Und klebe sie sorgsam ein
Ins Poesiealbum deiner Geschichte
Und so bleibt es für immer daheim
Was immer auch kommt
Es bleibt nah bei mir
Und seist du auch noch so ein schwarzes Papier
Was immer auch kommt
Ich schreib's schneeweißklar
Ich. bleib. Da.
 
(c) Kathy Kreuzberg 2013